Drachenfest in Dänemark

Kriminalroman von Martin Bodenstein

ISBN 978-3-920591-61-2
€ 9,-

 

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Wind, Wolken und Wasser - und frühmorgens an der Küste die Suche nach Angeschwemmtem. Ist es nicht verlockend, als Fremder in der heilen Naturwelt Jütlands Ruhe zu suchen? Ein Kulturredakteur hat es versucht.

Doch in sein friedliches Dünendomizil fällt eines Tages die Redaktionscrew aus dem heimischen Teutoburg samt Chefredakteur ein. Aus Journalisten sind längst Zeitungsmacher, sind Medienmacher geworden. Die dänische Idylle soll dazu dienen, Strategien zu entwickeln für den täglichen Kampf an der preußischen Medienfront. Es wird gestritten und gefochten im Lande Hamlets, es können Rechnungen beglichen werden.

Kultur ist zur Rangelei um Marktanteile und Quoten verkommen, mörderisch wird die Jagd auf den Medienkonsumenten. Der Autor und Feuilletonredakteur Bodenstein hat einen faszinierend aufschlußreichen Roman geschrieben, der Einblicke hinter Redaktionskulissen gestattet... Allenthalben spürt man den feinen Sand zwischen den Zähnen knirschen.
 

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Leseprobe:

Vorschau auf eine noch quietschlebendige zukünftige Leiche

Auf einmal war es still, totenstill. Bis unten am Meer ein neuer, vorletzter Brecher unbarmherzig auf den Strand einhämmerte. Stille um Stille, Welle um Welle, es gab keine letzte. Die Brandung bleibt immer Sieger.

Der Mensch lag oben in einer Dünendelle, er lag halb auf der Seite, ein Bein unter das andere geklemmt. Etwas unbequem, eine solche Schlafstellung, wie neulich ein Forschungsteam der Teutoburger Universität herausgefunden hatte. Dem Menschen in der Sandfurche, acht Meter über dem Meeresspiegel, war diese tiefschürfende Entdeckung ganz egal. Der Wind trieb gelbe Körnchen in die Trichter seiner Augen. Es tat ihm nicht mehr weh. Die Augen, seine lieben Fensterlein, um den Schweizer Poeten Conrad Ferdinand Meyer zu bemühen, nahmen es nicht zur Kenntnis.

Nymindegab, Paradies der Fischer und Jäger, wie es ein Reiseführer gepriesen hatte. Nun führten wieder die Elemente Regie. Im prallen Abendsonnenschein trat drüben landeinwärts, jenseits des Gürtels aus Heide und Salzwiesen, die Zeile der Sommerhäuser am Redningsvej, dem traditionellen Rettungsweg mit dem Bootsmuseum, aus ihrem Kulissendämmer hervor. Das satte Weiß und Gelb und Rot der Feriendomizile erschien in einer neuen Tiefenschärfe. Es wirkte weniger gemütlich, eher grell, aggressiv, unübersehbar. Die Farben entfalteten ihr Eigenleben: Königspurpur, die Helligkeit von Elfenbein und ein Gelb wie aus den Vorbergen der Sahara an der Straße der Kasbahs im fernen Marokko.

Unübersehbar? Dem Menschen da oben in seiner letzten Wiege aus Strandhafer verschaffte der Anblick kein Wohlbefinden mehr. Er war bereits jenseits von Zeit und Ort, jedenfalls, was seine Seele betraf. Er lag stumm und wohl auch zunehmend steifer da und starrte leicht erstaunt ins Nichts. Aus seinem Mund hing wie der Schnürsenkel eines Joggingschuhs ein abgerissenes Stück Angel- oder Drachenschnur heraus, beide Enden verloren sich, ineinander verknäuelt, im Dünengras. Eine goldglänzende schartige Prothese verschloß seinen Kiefer, und in der Stirn klaffte ein Löchlein, das es trotz seiner Winzigkeit in sich hatte: schwärzlich geronnenes Blut. Während unten ein neuer vorletzter Brecher... (siehe oben).

»Wir sehen uns in Dänemark« lautet ein Werbespot(t) der dortigen Fremdenverkehrsstrategen. In diesem Fall auf Nimmerwiedersehen also. Erfahrung lehrt: Die Natur ist von totaler, eisiger Gleichgültigkeit gegenüber menschlichen Bedürfnissen und Befindlichkeiten, die Elemente haben genug mit sich selbst zu tun, sie befehden sich in einem mörderischen Bruderkrieg. Am Abend freilich kriechen sie manchmal übermüdet von all ihren Heldentaten in die Kojen der Fremdenzimmer, die im Schloß von Wassermann und Lilofee irgendwo im Quallengrund für sie freigehalten werden.

Abendlieder rieseln aus luftiger Höhe herab, die Lerchen tirilieren zum Abschied des Tages im Blau, und das Meer präsentiert sich plötzlich behäbig breit wie eine Riesenschale aus gehämmertem Silber. Selten genug. Meistens zeigt es sich unwirsch grau oder flaschengrün. Die Idylle legte den Verdacht nahe, daß sich der Mensch von dem Panorama der Urnatur nicht trennen mochte. Aber ihm war, wie gesagt, nicht danach zumute, irgendwelche Schönheiten zu inspizieren.

Er war tot, mausetot, ein Eigenschaftswort, das die Hersteller von Nagetierguillotinen, auch Mausefallen genannt, bitte nicht als kostenlose Werbung auffassen mögen. Eines Menschen Zeit war um, rundum. Punktum.

Zeit für Möwen. Zeit für gefiederte Strandläufer. Zeit für die Mordkommission? I bewahre, ein teutonischer Journalist nimmt den Fall selbst in die Hand, des Falles wegen. Denn Mensch sein, heißt bekanntlich, eine Sache um ihrer selbst willen tun. Also sprach Richard Wagner.

 

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