Die Terroristen von Bethanien

Fakten und Fiktion

von Hans Dieter Mummendey

192 S.   ISBN 978-0591-21-6

€ 12,- 

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Dieser Text ist zum überwiegenden Teil authentisch. Er enthält vor allem eine Milieuschilderung des terroristischen Alltags der aus Bethanien stammenden Gruppe »Kinder Gottes«. Sie stammen aus dem Kirchenstaat am Rande der durch eine Universität und einen großen Futtermittelkonzern geprägten Industriestadt.

Sie operieren von konspirativen Wohnungen aus, entwenden Kraftfahrzeuge und Waffen, fälschen Nummernschilder und Pässe, überfallen Banken und versuchen, gefangene Brüder und Schwestern gewaltsam zu befreien. Sie planen die Entführung des Bundeskanzlers und weiterer Prominenter. Sie kämpfen für das REICH GOTTES.

Dokumentarische Grundlage sind detaillierte Vernehmungsprotokolle des BKA. Parallel zu diesen Verhören verläuft die Schilderung einer ganz persönlichen Entwicklung - es wird von Dorit erzählt, von der Liebe und vom Fanatismus. Durch die Verknüpfung der dokumentarischen Darstellung mit den subjektiven erzählerischen Elementen entsteht »Faction«, und damit immer wieder die Frage nach dem Verhältnis von Wirklichkeit und Möglichkeit. Es gibt Ereignisse, die nicht geschehen sind, aber jederzeit möglich wären, und es gibt solche, die wirklich ablaufen, aber zu wenig für wahr gehalten werden.

 

»Die Terroristen von Bethanien« befaßt sich mit dem fundamentalistischen Eifer, die vorgefundenen Verhältnisse grundlegend und gewaltsam zu verändern. Der Text wählt einen Gegenstand, der sonst seltener die Spalten der Gazetten füllt. Es hätte auch ein anderes Gebiet treffen können. Es ist vielleicht Zufall, daß die braven Bürger und Bekenner von Bethanien in diesem Falle zwischen die Fronten von Fakten und Fiktion geraten sind...


  *

Leseprobe:

VS - Vertraulich!

Nur für den Dienstgebrauch! Amtlich geheimgehalten!

-Sicherheitsgruppe-

- SK - 8002/91 - Bonn-Bad Godesberg, 25.2.1991

Vernehmungsniederschrift

Beginn der Vernehmung: 11.50 Uhr

Vorgeführt aus der Untersuchungshaftanstalt Bonn erscheint Herr Hans-Jürgen N e u p o h l ,

und erklärt:

Zu Beginn meiner heutigen Vernehmung wurde mir von den vernehmenden Beamten der Sicherheitsgruppe ein Bogen Fotopapier vorgelegt, auf dem insgesamt 8 Paßbilder zu erkennen sind. Die darauf befindlichen Personen sind sämtlich ausreichend gut erkennbar. Es handelt sich durchweg um männliche Personen. Jedes Lichtbild ist fortlaufend von links nach rechts, nacheinander Ober- und Unterreihe numeriert. Es handelt sich bei dieser Einzelaufnahme um eine zusammengefaßte Reproduktion von 8 Einzelaufnahmen, die unter der Asservaten-Nr. III 10.3 asserviert sind. Ich vermag auf der mir vorgelegten Reproduktion die folgenden Personen ohne jeden Zweifel zu erkennen:

Bild Nr.1: Jens-Uwe Raddatz

Bild Nr.2: Jens-Uwe Raddatz

Bild Nr.3: Es handelt sich um »Paul«. Es ist die männliche Person, und zwar ohne jeden Zweifel, die ich bisher in meinen Vernehmungen immer als »Leremies Freund« bezeichnet habe und dessen wirklicher Name niemandem bekannt ist

Bild Nr.4: »Paul«, Leremies Freund

Bild Nr.5: »Paul«, Leremies Freund

Bild Nr.6: Diese männliche Person habe ich schon einmal gesehen. Ich kenne seinen Namen nicht, und mir ist auch nicht mit Sicherheit bekannt, daß dieser Mann zur Walser-Mohn-Gruppe, genannt die KINDER GOTTES, gehört. Auf jeden Fall ist mir dieser Mann irgendwie durch die Gruppe bekanntgeworden

Bild Nr.7: »Paul«, Leremies Freund

Bild Nr.8: »Paul«, Leremies Freund.

In meiner Vernehmung vom 17.2.1991, Blatt 8, habe ich Angaben über einen Kraftfahrzeugdiebstahl durch Armin Walser in der Tiefgarage des Dr. Nitschke in Mengede gemacht. Damals wurde ein roter BMW entwendet. Mir ist zwischenzeitlich mitgeteilt worden, daß aufgrund der Nachforschungen festgestellt werden konnte, daß dieses Fahrzeug in der Nacht zum 18.12.1990 gestohlen wurde. Weiterhin ist mir dazu mitgeteilt worden, daß in der Nacht zum 17.12.1990 ein Pkw Mercedes 230 SL, tiefblau mit grauem Metallicdach mit dem Kennzeichen DO-JS 178 aus der gleichen Tiefgarage entwendet wurde. Über dieses Fahrzeug wurde bekannt, daß es am 21.12.1990 zu einem Bankraub in Telgte bei Münster in Westfalen benutzt wurde. Zwischen der Entwendung und dem Wiederauffinden des Fahrzeuges hat der Wagen ca. 5.000 km zurückgelegt. Mir wurde dazu mitgeteilt, daß für die hiesige Dienststelle der Verdacht besteht, daß auch der erwähnte Diebstahl des PKW Mercedes und der Bankraub in Telgte von der Walser-Mohn-Gruppe verübt wurde. Dazu wurde ich eingehend befragt und erkläre hier folgendes:

Mir ist zu keinem Zeitpunkt der Zugehörigkeit zur Walser-Mohn-Gruppe bekanntgeworden, daß ein Raubüberfall auf eine Bank in Telgte bei Münster in Westfalen geplant war. Ich kann mir das auch nicht denken, da diese ganze Gegend in der Gruppe stets als »stinkkatholisch« bezeichnet wurde. Auf Nachfragen erkläre ich, daß damit so etwas gemeint war wie »aussätzig« oder »tabu«, jedenfalls nicht für Aktionen der Gruppe in Frage kommend. Auch ist mir nicht bekannt, daß von der Gruppe ein PKW Mercedes entwendet wurde, der auf die eben gegebene Beschreibung zutreffen könnte. Ich persönlich bin, wie hier bekannt, in der Nacht vom 19. zum 20.12.1990 festgenommen worden und kann demzufolge selber nicht an diesem Bankraub beteiligt gewesen sein.

Grundsätzlich bin ich zwar der Ansicht, daß der Bankraub von den KINDERN GOTTES ausgeführt worden sein könnte, wegen des dort verwendeten PKW Mercedes glaube ich jedoch nicht daran, denn ich bin mir einigermaßen sicher, daß die Bande den Wagen zur angegebenen Zeit nicht gestohlen haben kann. Auch ich selbst bin mir ziemlich sicher, keinen solchen Wagen gestohlen zu haben.
 

Vermerk

Die Vernehmung wurde in der Zeit zwischen 12.45 und 13.45 zwecks Einnahme eines Mittagessens durch Herrn Neupohl, unterbrochen.

(Kirschniok) KOM

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Geliebter!

Ich weiß, daß ich nicht krank bin, und das mußt Du mir glauben! Ich kenne Dich genau, ich weiß, daß Du denkst, ich sei krank, aber das ist nicht so, glaube mir! Wenn GOTTES Befehl ergeht, der oberste Engel ruft und die himmlische Posaune ertönt, dann wird DAS REICH GOTTES kommen - Du weißt genau, daß es so ist, auch wenn Du Dich dagegen sperrst und sträubst! Und gerade Du, der Du mir immer wieder gesagt und mich immer wieder gelehrt hast, daß Passivität NICHTS zählt, und Aktivität ALLES - gerade Du mußt wissen und Du WIRST es wissen. Das Vorgefundene, das Gegebene, die fundamentalen Verhältnisse, sie verändern sich nicht von allein, sondern nur dadurch, daß sie verändert werden, daß wir sie aktiv verändern! Du weißt, daß WIR es sind, die das Kommen des REICHES GOTTES bewirken und herbeiführen müssen, mit allen Mitteln und gegen die gewaltige Übermacht der Kirchenverbrecher, der Machthabenden, der Bonzen! DAS REICH GOTTES GEWINNEN - ich habe es Dir immer wieder gesagt, das geht nicht von allein und das geht nicht mit guten Worten oder durch gutes Zureden oder Abwarten. Wer abwartet, fällt den brutalen Machenschaften der Herrschenden, der Feinde GOTTES zum Opfer. KÄMPFEN WIR FÜR DAS REICH GOTTES, erkämpfen wir es uns aktiv und gegen seine Feinde! Bethanien muß aufstehen gegen seine Unterdrücker, muß sich befreien, und es muß die Unterdrückten und Eingekerkerten befreien. Und nicht nur die im wahrsten Sinne des Wortes eingekerkerten, sondern alle, auch die Menschen außerhalb Bethaniens, die geistig und geistlich, psychisch und physisch Unterdrückten!

KÄMPFEN WIR FÜR DAS REICH GOTTES!

ES HILFT NUR GEWALT, WO GEWALT HERRSCHT.

KÄMPFEN WIR MIT DER WAFFE FÜR DAS REICH GOTTES!
 

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